Wie sich Existenzängste auf Partnerschaften auswirken
In einer stabilen Partnerschaft geht es nicht nur um Liebe und emotionale Bindung, sondern auch um ein Gefühl von Sicherheit – ein gemeinsames Fundament, auf dem beide Partner stehen. Doch was passiert, wenn dieses Fundament von existenziellen Ängsten erschüttert wird? Plötzlich rückt die Frage nach der Zukunft ins Zentrum, und das alltägliche Miteinander wird von Sorgen und Unsicherheit geprägt. Als Verhaltenstherapeutin erlebe ich häufig, wie belastend existenzielle Sorgen für Beziehungen sein können. Besonders dann, wenn sich finanzielle Probleme und der Druck, den Lebensunterhalt zu sichern, zu einer ständigen Belastung entwickeln.
Was sind Existenzängste?
Existenzängste entstehen oft aus der Furcht vor einem plötzlichen finanziellen oder beruflichen Verlust, der die Grundlagen des Lebens bedroht. Das kann der Verlust des Arbeitsplatzes sein, Unsicherheiten im Zusammenhang mit selbstständiger Arbeit, Schulden oder der plötzliche Wegfall einer sicheren Einkommensquelle. In der heutigen Welt, die sich in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht oft unsicher anfühlt, sind diese Ängste keine Seltenheit. Sie betreffen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und wirken sich stark auf das emotionale und psychische Wohlbefinden aus.
Für die betroffenen Personen bedeutet das, dass sie ständig in Sorge sind, wie sie die nächste Miete zahlen, Rechnungen begleichen oder für ihre Kinder sorgen sollen. Solche Ängste können überwältigend sein und betreffen nicht nur das Individuum, sondern auch die Dynamik in der Partnerschaft.
Die unsichtbare Last der Existenzangst in der Beziehung
Wenn einer oder beide Partner von Existenzängsten betroffen sind, kann dies zu Spannungen in der Beziehung führen. Der ständige Druck, der auf dem Betroffenen lastet, verändert oft das Verhalten. Die Angst nimmt so viel Raum ein, dass es schwierig wird, den Blick für die Bedürfnisse des Partners und der Beziehung aufrechtzuerhalten. Zuneigung und Nähe können in den Hintergrund treten, und es entsteht eine emotionale Distanz.
In meiner Arbeit mit Paaren sehe ich immer wieder, wie Existenzängste zu Kommunikationsproblemen führen. Der Partner, der sich in der Krise befindet, fühlt sich oft allein mit seiner Sorge und ist nicht in der Lage, diese Belastung offen zu teilen. Stattdessen ziehen sich viele Betroffene emotional zurück oder reagieren gereizt auf den Versuch des anderen, zu helfen. Dies wird von dem nicht betroffenen Partner oft als Zurückweisung oder sogar als Desinteresse interpretiert, obwohl es in Wirklichkeit Ausdruck von Überforderung ist.
Existenzängste erzeugen einen enormen Stress, der sich nicht nur auf die Stimmung, sondern auch auf die Gesundheit auswirken kann. Der Betroffene leidet möglicherweise unter Schlafstörungen, Erschöpfung und Gereiztheit, was den alltäglichen Umgang miteinander erschwert. Dieser Zustand kann über Wochen, Monate oder sogar Jahre andauern, was die Beziehung zunehmend zermürbt.
Das Ungleichgewicht der Verantwortung
Eine der häufigsten Folgen von Existenzängsten in Partnerschaften ist das Ungleichgewicht der Verantwortung. Wenn einer der Partner von den Sorgen um die finanzielle Situation dominiert wird, übernimmt der andere oft zusätzliche Aufgaben – sowohl in emotionaler als auch in praktischer Hinsicht. Das bedeutet, dass der nicht betroffene Partner sich um den Haushalt kümmert, finanzielle Entscheidungen trifft oder versucht, den emotionalen Zustand des anderen zu stabilisieren.
Diese ungleiche Last kann auf Dauer zu Frustration führen. Der nicht betroffene Partner fühlt sich möglicherweise überfordert, da er sowohl für den Erhalt der Beziehung als auch für den emotionalen Zustand des Partners Verantwortung übernimmt. Es entsteht das Gefühl, allein gelassen zu werden, was wiederum zu Resignation oder Konflikten führen kann.
Auf der anderen Seite empfinden viele Menschen, die unter Existenzängsten leiden, Scham und Schuld, weil sie das Gefühl haben, ihre Rolle in der Partnerschaft nicht ausreichend auszufüllen. Sie wissen, dass ihre Ängste die Beziehung belasten, fühlen sich jedoch oft machtlos, etwas daran zu ändern. Diese Schuldgefühle verstärken die innere Isolation und führen zu einem Teufelskreis aus Selbstvorwürfen und weiterem Rückzug.
Die Rolle der Kommunikation
Eines der größten Probleme, die ich bei Paaren mit existenziellen Ängsten beobachte, ist der Mangel an offener Kommunikation. Angst kann eine lähmende Wirkung haben und verhindert oft, dass der Betroffene seine Sorgen klar artikuliert. Gleichzeitig kann der nicht betroffene Partner unsicher sein, wie er das Thema ansprechen soll, aus Angst, die Situation zu verschlimmern.
Hier kann eine therapeutische Begleitung wertvolle Unterstützung bieten. Als Verhaltenstherapeutin arbeite ich mit Paaren daran, den Raum für offene und ehrliche Gespräche zu schaffen. Es ist wichtig, dass beide Partner ihre Gefühle ausdrücken können, ohne befürchten zu müssen, den anderen zu verletzen oder als schwach wahrgenommen zu werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Erlernen von Achtsamkeit. Existenzängste neigen dazu, den Blick ständig auf die Zukunft zu richten und ein Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen. In der Therapie lernen Paare, sich bewusst auf den Moment zu konzentrieren und Wege zu finden, gemeinsam durch die Unsicherheiten zu gehen, ohne sich in der Angst zu verlieren.
Unterstützung suchen: Es gibt Lösungen
Für Paare, die mit Existenzängsten konfrontiert sind, gibt es Wege, die Krise gemeinsam zu bewältigen. Neben der offenen Kommunikation und der gegenseitigen emotionalen Unterstützung ist es oft sinnvoll, auch externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Finanzberatungen, Schuldenberatungen oder Berufsberatung können praktische Lösungen bieten, um die finanzielle Situation zu stabilisieren.
Wichtig ist, dass beide Partner erkennen, dass sie nicht alleine durch diese Phase gehen müssen. Hilfe anzunehmen – sei es in Form von Therapie, Beratung oder durch das erweiterte soziale Netzwerk – ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein notwendiger Schritt, um den Druck von der Beziehung zu nehmen.
Das gemeinsame Überwinden der Krise
Existenzängste sind eine enorme Belastung für jede Partnerschaft. Doch sie müssen nicht zwangsläufig das Ende der Beziehung bedeuten. Im Gegenteil: Paare, die es schaffen, diese Herausforderung gemeinsam zu bewältigen, können gestärkt aus der Krise hervorgehen. Sie entwickeln neue Wege, miteinander umzugehen, und lernen, wie wichtig gegenseitiger Rückhalt und Vertrauen sind.
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Angst und Unsicherheit Teil des Lebens sind, aber sie müssen nicht die Beziehung bestimmen. Mit der richtigen Unterstützung, offenen Gesprächen und einer gemeinsamen Strategie kann die Partnerschaft sogar an den Herausforderungen wachsen – und das Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens kann wiederkehren.