Was ist das Gefühl der Hilflosigkeit und woher kommt es?
Als erfahrene Verhaltenstherapeutin begegne ich in meiner Praxis häufig Klienten, die das Gefühl der Hilflosigkeit schildern. Dieses Gefühl kann überwältigend und lähmend sein, denn es geht weit über einfache Unsicherheit oder Ratlosigkeit hinaus. Hilflosigkeit ist eine tiefe, emotionale Reaktion auf Situationen, in denen wir das Gefühl haben, die Kontrolle verloren zu haben. Sie kann kurzfristig in stressigen Situationen auftreten oder als chronisches Gefühl Menschen langfristig belasten. Doch woher kommt dieses bedrückende Gefühl, und wie lässt es sich verstehen?
Was ist Hilflosigkeit?
Hilflosigkeit ist das subjektive Erleben, in einer Situation keine Handlungsoptionen zu haben oder keine Lösung zu sehen. Es fühlt sich an, als sei man den Umständen ausgeliefert, ohne die Möglichkeit, das Ergebnis zu beeinflussen. Dieses Gefühl kann sowohl bei kleinen, alltäglichen Problemen als auch bei großen, lebensverändernden Ereignissen auftreten.
Hilflosigkeit zeigt sich oft in Gedanken wie „Ich kann nichts tun“ oder „Es ist alles hoffnungslos“. Diese Gedanken gehen mit intensiven Gefühlen von Angst, Verzweiflung oder Frustration einher. Wenn sich das Gefühl der Hilflosigkeit über längere Zeit manifestiert, kann es sogar zu Resignation führen – die Person gibt auf, bevor sie überhaupt versucht, eine Lösung zu finden.
Woher kommt das Gefühl der Hilflosigkeit?
Das Gefühl der Hilflosigkeit ist tief in unseren Erfahrungen verwurzelt. Häufig entwickelt es sich in der Kindheit, wenn wir in Situationen geraten, in denen wir uns machtlos fühlen. Ein Kind, das wiederholt erfährt, dass seine Bedürfnisse ignoriert werden oder dass es keine Kontrolle über seine Umwelt hat, kann später ein tief verwurzeltes Gefühl der Hilflosigkeit entwickeln.
Ein bekanntes Konzept in der Psychologie, das dieses Phänomen erklärt, ist die sogenannte erlernte Hilflosigkeit. Dieses Konzept wurde in den 1960er Jahren von Martin Seligman und Steven Maier entwickelt. In ihren Studien zeigten sie, dass Menschen (und auch Tiere) Hilflosigkeit lernen können, wenn sie wiederholt in Situationen geraten, in denen sie keinen Einfluss auf das Ergebnis haben. Selbst wenn sie später die Möglichkeit haben, etwas zu verändern, handeln sie nicht, weil sie bereits „gelernt“ haben, dass ihre Bemühungen sinnlos sind.
Erlernte Hilflosigkeit tritt oft bei Menschen auf, die in Umgebungen aufwachsen oder leben, in denen sie das Gefühl haben, keinen Einfluss auf ihre Lebensumstände zu haben. Dies kann in dysfunktionalen Familien, bei Missbrauch, in Armut oder in extrem stressigen Arbeitsumgebungen der Fall sein. Das wiederholte Gefühl, keine Kontrolle zu haben, führt dazu, dass das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schwindet.
Wie äußert sich das Gefühl der Hilflosigkeit?
Das Gefühl der Hilflosigkeit zeigt sich auf verschiedene Weise und kann das Leben auf mehreren Ebenen beeinträchtigen. Menschen, die sich hilflos fühlen, erleben oft eine Kombination aus emotionalen, kognitiven und körperlichen Symptomen.
1. Emotionale Symptome:
Hilflosigkeit geht häufig mit intensiven Gefühlen der Verzweiflung, Traurigkeit und Angst einher. Die Betroffenen fühlen sich ausgelaugt und leer, da sie keinen Ausweg aus ihrer Situation sehen. Diese emotionalen Reaktionen können in schweren Fällen zu Depressionen führen.
2. Kognitive Symptome:
Auf gedanklicher Ebene zeigt sich Hilflosigkeit oft in negativen Überzeugungen über die eigene Person und die Welt. Typische Gedanken sind: „Es gibt keine Hoffnung“, „Ich bin unfähig“, „Alles ist sinnlos“. Solche Gedankenmuster verstärken das Gefühl der Hilflosigkeit und tragen dazu bei, dass Betroffene in ihrer Ohnmacht verharren.
3. Körperliche Symptome:
Auch der Körper reagiert auf das Gefühl der Hilflosigkeit. Menschen berichten häufig von chronischer Erschöpfung, Schlafproblemen und körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenbeschwerden. Der Körper steht unter anhaltendem Stress, was das Immunsystem schwächt und zu weiteren gesundheitlichen Problemen führen kann.
Wie kann man Hilflosigkeit überwinden?
Das Gefühl der Hilflosigkeit mag sich tief verwurzelt anfühlen, doch es ist möglich, es zu überwinden. Im therapeutischen Kontext arbeiten wir gezielt daran, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wiederherzustellen und den Glauben an die Möglichkeit, Veränderungen herbeizuführen, zu stärken.
1. Erkennen und Akzeptieren:
Der erste Schritt besteht darin, das Gefühl der Hilflosigkeit zu erkennen und anzunehmen. Oft versuchen Menschen, diese Gefühle zu verdrängen oder zu ignorieren, was sie jedoch nur verstärkt. In der Therapie unterstützen wir die Klienten dabei, diese Gefühle zu benennen und sich ihrer bewusst zu werden, ohne sie zu bewerten.
2. Kognitive Umstrukturierung:
Ein wesentlicher Bestandteil der Verhaltenstherapie ist die kognitive Umstrukturierung. Hierbei geht es darum, die negativen Gedankenmuster zu erkennen, die das Gefühl der Hilflosigkeit verstärken. Gemeinsam mit dem Klienten analysieren wir diese Überzeugungen und ersetzen sie durch realistischere, positivere Gedanken. Dies kann den Glauben an die eigene Handlungsfähigkeit wiederherstellen.
3. Kleine Erfolge schaffen:
Ein weiterer Ansatz besteht darin, den Klienten zu helfen, kleine Erfolge zu erleben. Selbst kleine Fortschritte können das Gefühl der Hilflosigkeit verringern und das Selbstvertrauen stärken. Wir erarbeiten konkrete Handlungsstrategien, die den Klienten aus der Passivität herausführen und ihm zeigen, dass er in der Lage ist, etwas zu bewirken.
4. Achtsamkeit und Selbstfürsorge:
Achtsamkeit ist ein weiterer wichtiger Aspekt, um das Gefühl der Hilflosigkeit zu überwinden. Indem man lernt, im Moment zu leben und die eigenen Gefühle ohne Urteil zu beobachten, kann man den negativen Kreislauf von Hilflosigkeit durchbrechen. Zusätzlich ist Selbstfürsorge – das bewusste Achten auf die eigenen Bedürfnisse und das Setzen von Grenzen – entscheidend, um die innere Stärke wiederzufinden.
Fazit
Das Gefühl der Hilflosigkeit kann überwältigend und lähmend sein, doch es ist kein unausweichliches Schicksal. Durch gezielte therapeutische Interventionen und die bewusste Arbeit an den eigenen Gedanken und Gefühlen kann jeder lernen, seine innere Stärke wiederzufinden. Hilflosigkeit mag tief verwurzelt sein, doch mit der richtigen Unterstützung und einem klaren Fokus auf die eigenen Fähigkeiten ist es möglich, die Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen. In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, wie Klienten durch kleine, aber bedeutsame Schritte aus der Hilflosigkeit in ein selbstbestimmtes Leben finden.