Was bedeutet Überforderung und wie kann man sie erkennen?
Als erfahrene Verhaltenstherapeutin begegnen mir immer wieder Klienten, die mit einem Zustand der Überforderung zu kämpfen haben. Viele von ihnen wissen jedoch nicht genau, was Überforderung eigentlich bedeutet, wie sie sich zeigt und welche Warnsignale darauf hinweisen. Überforderung ist ein häufiges Phänomen in unserer hektischen und anspruchsvollen Gesellschaft, und sie kann sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben auftreten. In diesem Beitrag möchte ich einen tieferen Einblick in dieses Thema geben und dabei auf die psychologischen Hintergründe sowie die typischen Symptome eingehen.
Was genau ist Überforderung?
Überforderung entsteht, wenn die Anforderungen, die an eine Person gestellt werden, die individuellen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigen. Dabei kann es sich um physische, emotionale oder kognitive Belastungen handeln. In der modernen Welt sind wir permanent einer Flut von Reizen und Anforderungen ausgesetzt, sei es durch Arbeit, Familie, gesellschaftliche Verpflichtungen oder auch den digitalen Druck durch soziale Medien. Jeder von uns hat eine bestimmte Kapazität, wie viel Stress und Druck er oder sie ertragen kann, und wenn diese Grenze überschritten wird, spricht man von Überforderung.
Ein Schlüsselfaktor dabei ist, dass Überforderung subjektiv ist – was für den einen überwältigend sein mag, kann für einen anderen durchaus handhabbar sein. Individuelle Resilienz, Lebenserfahrungen und der Grad an Unterstützung durch das Umfeld spielen dabei eine wesentliche Rolle. Trotzdem gibt es bestimmte Muster, die typisch sind, wenn jemand die Schwelle der Überforderung erreicht hat.
Typische Anzeichen und Symptome
Die Symptome von Überforderung sind vielfältig und können sich sowohl physisch als auch psychisch äußern. Es gibt einige klare Warnzeichen, die darauf hinweisen, dass man sich in einem Zustand der Überforderung befindet oder sich diesem Zustand nähert.
- Kognitive Überforderung: Schwierigkeiten, klar zu denken, sind ein häufiges Anzeichen. Man fühlt sich überwältigt von den Aufgaben, die vor einem liegen, und kann sich nicht mehr konzentrieren. Entscheidungen, die normalerweise einfach wären, erscheinen plötzlich unlösbar. Ein Gefühl von Verwirrung und Desorientierung stellt sich ein. Häufig berichten Betroffene auch von Gedächtnisproblemen oder dem Gefühl, keine Gedanken mehr fassen zu können.
- Emotionale Überforderung: Menschen, die emotional überfordert sind, erleben oft intensive Gefühle von Angst, Hilflosigkeit oder auch Wut. Sie sind schneller reizbar und neigen dazu, emotionale Ausbrüche zu haben, die in keinem Verhältnis zur eigentlichen Situation stehen. In extremen Fällen kann es zu Panikattacken oder depressiven Verstimmungen kommen. Ein Gefühl der Unruhe oder ständige Sorgen sind weitere Anzeichen, dass das emotionale System überlastet ist.
- Körperliche Symptome: Der Körper reagiert auf Überforderung oft mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Schlafstörungen oder einem allgemein geschwächten Immunsystem. Man fühlt sich ständig erschöpft, selbst nach einer Nacht mit ausreichend Schlaf. Muskelschmerzen und Verspannungen, vor allem im Nacken- und Schulterbereich, sind häufige Begleiterscheinungen. Auch Herzklopfen oder ein Gefühl der inneren Unruhe sind körperliche Zeichen dafür, dass der Stresspegel zu hoch ist.
- Verhalten und soziale Interaktionen: Menschen, die überfordert sind, ziehen sich häufig sozial zurück. Sie vermeiden Kontakte und fühlen sich unfähig, mit anderen über ihre Probleme zu sprechen. Häufig treten auch Verhaltensweisen wie vermehrter Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen Bewältigungsstrategien auf, die kurzfristig Entlastung versprechen, jedoch langfristig die Probleme verstärken. Im beruflichen Umfeld kann es zu Fehlzeiten oder einem plötzlichen Leistungsabfall kommen.
Wie kann man Überforderung erkennen?
Überforderung zu erkennen, ist oft gar nicht so einfach, da sich die Symptome schleichend entwickeln. Besonders gefährdet sind Menschen, die dazu neigen, hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen und Schwierigkeiten haben, Grenzen zu setzen. In der Therapie erlebe ich oft, dass Klienten ihre eigene Belastung erst dann realisieren, wenn sie bereits körperliche Beschwerden haben oder es zu emotionalen Zusammenbrüchen kommt.
Ein wichtiger Schritt ist es, auf die eigenen Gefühle und körperlichen Reaktionen zu achten. Fühlen Sie sich regelmäßig überfordert, ohne zu wissen, warum? Haben Sie das Gefühl, dass Sie ständig „funktionieren“ müssen und sich keine Pause gönnen dürfen? Solche inneren Überzeugungen sind häufig Indikatoren dafür, dass Sie sich in einem Zustand der Überforderung befinden.
Umgang mit Überforderung
In meiner therapeutischen Arbeit lege ich großen Wert darauf, Klienten Strategien an die Hand zu geben, um Überforderung zu verhindern oder sie frühzeitig zu erkennen. Einige wirksame Maßnahmen sind:
- Realistische Zielsetzung: Ein häufiger Auslöser für Überforderung ist das Setzen unrealistisch hoher Ziele. Es ist wichtig, sich zu fragen, ob die Erwartungen, die man an sich selbst stellt, wirklich erfüllbar sind, oder ob man sich unnötigen Druck auferlegt.
- Grenzen setzen: Lernen, „Nein“ zu sagen, ist eine entscheidende Fähigkeit im Umgang mit Überforderung. Nicht jede Aufgabe oder Verantwortung muss angenommen werden. Wer Grenzen setzt, schützt sich vor einer Überlastung.
- Regelmäßige Pausen: Oft unterschätzen wir die Bedeutung von Pausen. Sowohl im Alltag als auch bei der Arbeit sollten regelmäßig kurze Auszeiten eingeplant werden, um dem Gehirn und dem Körper die Möglichkeit zu geben, sich zu regenerieren.
- Unterstützung suchen: Niemand muss allein mit Überforderung zurechtkommen. Der Austausch mit Freunden, Familie oder einem Therapeuten kann helfen, den Druck zu mindern und eine neue Perspektive zu gewinnen.
Fazit
Überforderung ist ein Zustand, der uns alle treffen kann. Wichtig ist es, die Anzeichen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um langfristige negative Folgen zu vermeiden. Wenn wir lernen, unsere eigenen Grenzen zu respektieren und uns regelmäßig Zeit zur Erholung nehmen, können wir ein gesundes Gleichgewicht zwischen den Anforderungen des Alltags und unserem Wohlbefinden finden. In meiner therapeutischen Praxis unterstütze ich meine Klienten dabei, diese Balance zu erreichen und langfristig aufrechtzuerhalten.